Einsatzplanung und Notfallschulungen verhindern Katastrophe bei einem Brand in Dokumentenlager

William Gabrenya

Chief William Gabrenya Fire Chief
Einsatzgebiet Bartlett in Illinois, USA
Chief Gabrenya wuchs im US-amerikanischen Bartlett (Illinois) auf, wo er auch seine Karriere im Bereich Brandschutz begann. Er war anschließend 22 Jahre in Palatine tätig und wurde dort zum Deputy Chief ernannt. Er kehrte als Assistant Chief nach Bartlett zurück und übernahm im Jahre 2019 mit seiner Ernennung zum Chief die Verantwortung für die örtliche Feuerwehr.

Um 9 Uhr morgens wurde in einer Lagerhalle im Gewerbegebiet von Bartlett im US-Bundesstaat Illinois ein Feueralarm ausgelöst. Gleichzeitig wurde die Sprinkleranlage aktiviert. Die Temperaturen befanden sich an diesem Tag um den Nullpunkt – gefühlt war es jedoch deutlich kälter.

Mit drei Feuerwachen umfasst das Einsatzgebiet der Feuerwehr von Bartlett die Kleinstadt selbst und darüber hinaus auch die angrenzenden Ortschaften. Rund 46 000 Personen profitieren so von den Diensten der Einsatzteams. Zudem befindet sich in Bartlett ein gemischt genutztes Gewerbegebiet und ein Ski-Resort. Auch Einfamilien- und Reihenhäuser, Wohngebäude, Einkaufsläden, Gewerbeflächen, Restaurants sowie größere Unternehmen, wie beispielsweise ein Teigwarenhersteller, ein Zulieferer im Gastronomiebereich und ein Großhändler für Käsespezialitäten, liegen im Einsatzgebiet der Feuerwehr in Bartlett.

An jenem Morgen reagierten die Einsatzkräfte innerhalb von vier Minuten mit der üblichen Einsatzausstattung auf den Alarm und trafen mit zwei Löschfahrzeugen, einem Krankenwagen und einer Einsatzleitung vor Ort ein. Schnell wurde deutlich, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Einsatz handeln würde. Chief William Gabrenya erinnert sich noch lebhaft an den Einsatz: „Als wir vor Ort eintrafen, teilte uns das evakuierte Personal mit, dass die Kisten in der Halle in Flammen stünden. Die Einsatzleitung forderte umgehend Verstärkung an. Weitere sechs Löschfahrzeuge sowie drei Krankenwagen trafen vor Ort ein. Zudem wurde die Einsatzleitung ausgeweitet, die damit begann, nach unserem vorgefertigten Einsatzplan für diesen Standort vorzugehen. Das erste Fahrzeug wurde für den Einsatz auf Gebäudeseite „A“ vorbereitet. Ein weiterer Löschwagen sollte die Sprinkleranlage unterstützen. Als das vorgesehene Fahrzeug an der vorgesehenen Gebäudeseite eintraf, stellten wir eine intensive Rauchentwicklung fest. Obwohl das Einsatzteam rund 180 Meter in das Gebäude vorgedrungen war, konnte es den Brandherd nicht erkennen. Die Sichtweite war gering und die Sprinkler waren in Betrieb. Schnell wurde deutlich, dass es sich hier um einen schwerwiegenden Brand handelte, sodass wir im Rahmen der Notfallhilfe weitere Unterstützung aus den Nachbarbezirken anforderten.“

Bei den brennenden Kartons, von denen das Personal berichtet hatte, handelte es sich um Bankakten in Papierform. Die Kisten waren in der fast 9300 m² großen Lagerhalle – dicht aneinander gereiht – beinahe 14 Meter in die Höhe gestapelt worden. Die Gänge zwischen den Regalen waren lediglich einen Meter breit. „Uns überkam ein Gefühl der Überwältigung, als wir zwischen den Regalen standen“, erinnert sich Gabrenya. „Wir standen vor 20-25 Gängen, die so lang waren, dass wir nicht einmal deren Ende sehen konnten. Mit ausgestreckten Armen ließen sich die Regale auf jeder Seite berühren und wenn man nach oben blickte, ragten die Papierakten fast 14 Meter in die Höhe. Wir agierten auf unglaublich engem Raum.“

Eine Einsatzkraft betritt während des Brandes einen der Gänge, um ein Strahlrohr für die Löscharbeiten am Boden anzubringen.

Im Rahmen der Notfallhilfe wurde mehrmals erneut Unterstützung angefordert. Weitere Einsatzteams trafen ein und suchten im Gebäude nach dem Brandherd. Nach fünfzehn Minuten kam es zu einem schwerwiegenden Einsturz von Regalen.

Einsturz der ersten Regalreihe.

Mehrere Einsatzteams wurden durch die Wucht des Einsturzes zu Boden geworfen. Der Deputy Chief der Feuerwehr, der sich zu diesem Zeitpunkt im Eingangsbereich befunden hatte, wurde aus dem Gebäude geschleudert. An fünf Außenwand-Betonfertigteilen kam es zu Rissbildungen. Die zu diesem Zeitpunkt äußert angespannte Lage verschlimmerte sich zunehmend. „Es wurde angeordnet, dass die Löschtrupps das Gebäude verlassen sollten. Der Notdienst wurde gerufen“, berichtet Gabrenya. „Wir prüften nach, ob mit Blick auf unsere Teams alles in Ordnung war. Glücklicherweise war niemand verletzt worden. Wir verlangsamten umgehend unseren Einsatz, obwohl immer mehr Hilfe anrückte, sodass wir zusätzliche Ausrüstung – teils Sonderausrüstung – erhielten und weitere Chiefs für Unterstützung sorgten. Gemeinsam arbeiteten die Chiefs aus, wie wir sicher zurück ins Gebäude gelangen konnten. Das zweite Löschfahrzeug versorgte bis zur Beendigung des Einsatzes unterstützend die Sprinkleranlage. Es gelang uns, die Sprinkleranlage für eine Stunde und 45 Minuten in Betrieb zu halten, während wir unter extremen Vorsichtsmaßnahmen wieder in den vom Einsturz betroffenen Gebäudeteil vordrangen, um den Brandherd zu lokalisieren. Obwohl Kisten zu Boden fielen und weitere Regale nachgaben, schafften wir es, einen Großteil des Rauchs abzuleiten. Unsere Sicht verbesserte sich, sodass wir das Ausmaß des Brandes abschätzen konnten.“

Nachdem ein Großteil des Rauchs abgeleitet worden war, wurde das gesamte Ausmaß des Einsturzes am Ende des Ganges ersichtlich.

In der Lagerhalle war die Hälfte der vierstöckigen Regale mittig zusammengebrochen. Es blieb eine qualmende Ansammlung von Kisten, Papier und Schutt. Nur wenige Eingänge führten in das Gebäude, sodass es unmöglich war, den Schutt schnell und unkompliziert zu entfernen – zur Beseitigung der Trümmer wären spezielle Maschinen notwendig gewesen, die den teilweisen Abriss des bereits beschädigten Gebäudes erfordert hätten. Weder Eigentums- noch Mietpartei verfügte vor Ort über die erforderliche Ausrüstung. Eine Anlieferung der entsprechenden Geräte hätte acht Stunden in Anspruch genommen. Eine Stunde und 45 Minuten nach Einsatzbeginn ordnete Chief Gabrenya die Abschaltung der Sprinkleranlage an, um den immer noch glühenden Schutt manuell mittels eines unbemannten Strahlrohres zu löschen, wodurch beinahe 950 Liter pro Minute auf den betroffenen Bereich flossen. Nach 20 bis 25 Minuten stellte sich heraus, dass die Wasserleitung nicht effektiv genug war, sodass die Sprinkleranlage wieder in Betrieb genommen wurde. Fünfzehn Minuten später kollabierten die restlichen Lagerregale. Dies führte zum Einsturz des Daches und damit auch zum Zusammenbruch des Sprinklersystems. Das Feuerwehrteam ging zu einer defensiven Bekämpfungsstrategie über und begann das Gebäude von außen zu löschen. Zusätzlich angeforderte Teams konnten sich so erholen oder in ihren Bezirk zurückkehren.

Blick durch das beschädigte Dach auf zusammengestürzte Lagerregale.

Dacheinsturz von innen.

Nachdem die für die Sprinkleranlage zuständige Engineering-Fachkraft nach dem Brand die entsprechenden Daten aus dem System abrief, zeigte sich, dass sechs Sprinkler in beinahe zwei Stunden fast 5680 Liter pro Minute freigesetzt hatten. „Zu unseren besten Entscheidungen zählte, dass wir sofort eine Person mit der Überwachung der Sprinkleranlage beauftragt hatten“, berichtet Gabrenya. „Unser Team war bereits zu Beginn des Einsatzes vor Ort. Das Überwachungspersonal begab sich direkt in die Sprinklerzentrale und verblieb dort während des gesamten Einsatzes, sodass wir ständig über die ordnungsgemäße Funktion des Sprinklersystems informiert blieben. Diese Informationen konnten bei sämtlichen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.“ Die Überwachung und Einsatzweise der Sprinkleranlage war hinsichtlich der Brandkontrolle von entscheidender Bedeutung.

Zudem nahm die Vorausplanung der Feuerwehr von Bartlett einen hohen Stellenwert ein, da auf diese Weise direkt mehrere Instanzen involviert wurden, wie beispielsweise mit Inspektionen beauftragtes Personal. Letzteres fällt in den Vereinigten Staaten unter die Leitung des dortigen Brandschutzamtes und ist dafür zuständig, sämtliche Nutzungsarten in eine Software zur Notfall- und Vorausplanung einzugeben. Auf diese Weise werden potenzielle Gefährdungen, für Löschangriffe verfügbare Wassermengen, Einzelheiten zu Sprinkleranlagen, Gefahrstoffe und Notfallpläne vermerkt. Während der Vorausplanung wurde dem Dokumentenlager eine hohe Priorität zugewiesen. Diese Einstufung hatte zur Folge, dass der Standort vorab vollständig begangen worden war. Zudem war eine jährliche Besichtigung durch die einzelnen Teams vorgesehen. Daraus resultierte, dass alle Einsatzkräfte der Feuerwehr das Gelände im Rahmen der Vorausplanung betreten hatten. „Die zum Einsatzort gerufenen Teams wussten, dass sich Papierakten in der Lagerhalle befanden“, erläutert Gabrenya. „Sie kannten die Beschaffenheit der Gänge und Regale und waren sich der Herausforderungen bereits im Vorfeld bewusst. Während der im Rahmen der Vorausplanung durchgeführten Begehungen hatten wir bereits die Entscheidung getroffen, dass wir im Ernstfall die Sprinkleranlage unterstützen müssten, da das Wasser für die Löscharbeiten an einem derartigen Standort nicht ausreichen würde. Wir mussten uns so nicht damit aufhalten, die Funktionsfähigkeit des Sprinklersystems zu bewerten, als wir eintrafen. Wir konnten direkt handeln.“

Dank der gründlichen Einsatzplanung war die Feuerwehr mit der Nutzungsart, Sprinkleranlage und der entsprechenden Vorgehensweise vertraut. Die strategische Notfallplanung gab vor, dass der Brandherd mithilfe des ersten Einsatzfahrzeuges lokalisiert wurde. Das zweite Löschfahrzeug war für die Unterstützung der Sprinkleranlage vorgesehen. „Wenn diese Angelegenheiten bereits im Vorfeld geklärt sind, wissen alle, worauf es zu Beginn des Einsatzes ankommt. Das spart wertvolle Zeit“, betont Gabrenya. „Unsere für die Notfallplanung verwendete Software ist an die Einsatzzentrale angebunden und damit von jedem Fahrzeug aus abrufbar. So kann die Einsatzleitung die entsprechende Planung bereits während der Anfahrt abrufen und anschließend direkt umsetzen. Die für diesen Standort angefertigte Notfallplanung – Grundrisse, Gebäudeaufteilung, Fahrzeugeinsatz – hat einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, den Einsatz verantwortungsvoll zu leiten und zu sichern.“

Durch den Regaleinsturz blockierter Ausgang.

Chief Gabrenya zieht vier Lehren aus dem Einsatz: „Man würde zunächst nicht davon ausgehen, dass es an einem Standort, auf den über 6800 Liter pro Minute fließen – und das für zwei Stunden – zu einer plötzlichen Brandbeschleunigung kommt. Jedoch ist genau das passiert. Wir ziehen aktuell in Erwägung, diesen Aspekt in unsere Notfallplanung aufzunehmen und die erforderliche Ausrüstung vorab bereitzuhalten, damit wir im Ernstfall schnellstmöglich reagieren können. Ein weiteres Problem war, dass unsere Einsatzkräfte aufgrund der zusammengestürzten Regale nicht weit genug in das Gebäude vordringen konnten, als der Brand weiter fortschritt. Als schließlich auch das Dach nachgab, positionierten wir vier Löschfahrzeuge, um das Feuer von außen zu löschen. Zukünftig würde ich Löschfahrzeuge früher aufstellen, um zu berücksichtigen, dass es zu einer plötzlichen Brandbeschleunigung kommen könnte und Türen durch einen Dacheinsturz blockiert werden könnten. Zudem sollte es branchenweit mehr Forschung hinsichtlich dieser Art von Regalsystemen und den entsprechenden Inhalten geben. Es muss sichergestellt werden, dass die Sprinkleranlage gemäß der jeweiligen Brandlast ausgelegt wird. Darüber hinaus muss mit Blick auf die Tragfähigkeit der Regalkonstruktion auch eine eventuelle Wasserlast einkalkuliert werden. In unserem Fall wurde bei der Auslegung der Lagerhalle nicht bedacht, dass im Falle einer Brandbekämpfung zusätzliches Gewicht durch Löschwasser hinzugefügt werden würde, sodass die Regale durch die weitere Last nachgaben. Dieser mögliche Aspekt muss bei unserer zukünftigen Notfallplanung berücksichtigt werden. Zu guter Letzt hat sich gezeigt, dass eine Einsatzplanung für den Notfall und entsprechende Schulungen bei einem derartigen Brand unabdingbar sind. Unsere Vorausplanung war von unvorstellbarem Wert. Außerdem trug die Tatsache, dass unser Team bereits mit dem Standort und der Sprinkleranlage vor Ort vertraut war, entscheidend dazu bei, dass der Einsatz sicher abgewickelt werden konnte.“

Im Rahmen ihrer Notfallplanung unterzieht sich die Feuerwehr von Bartlett fortlaufend Schulungen, in denen Sprinkleranlagen berücksichtigt werden. Somit wird sichergestellt, dass die Einsatzkräfte ihre Kompetenzen immer weiter ausbauen. Ihr Schulungsprogramm umfasst das Modul „ Brandbekämpfung in gesprinklerten Gebäuden“, das Teil des FM Online-Schulungsprogramms für Feuerwehren ist. Die Feuerwehr von Bartlett umfasst 55 Personen. Alle haben die Schulung absolviert. „Die Schulungen aus dem FM Online-Schulungsprogramm für Feuerwehren werden genutzt, um unsere praktischen Übungen zu ergänzen“, erläutert Gabrenya. „Das Programm wird sehr gut angenommen und wir haben überaus positive Rückmeldungen erhalten. Es bereichert unser gesamtes Schulungsprogramm deutlich.“

Gabrenya muss nicht lange überlegen, wenn er nach der wichtigsten Erkenntnis gefragt wird, die er aus diesem Einsatz gewonnen hat: „Alle Einsatzkräfte der Feuerwehr benötigen entsprechende Schulungen, damit sie wissen, wie an Standorten vorzugehen ist, die von Sprinklerschutz profitieren. Zudem sollte unbedingt eine Notfallplanung für derartige Gebäude erfolgen. Machen Sie sich mit neuen Standorten und deren Nutzungsart vertraut, damit Sie wissen, was genau gelagert wird. Informieren Sie sich über vorhandene Löschanlagen und erstellen Sie ein Konzept, wie diese während des Einsatzes genutzt werden können. Wenn diese Schritte nicht erfolgen, können Sie im Ernstfall nicht strategisch vorgehen und es wird wertvolle Zeit verstreichen. Verschaffen Sie sich daher einen echten Vorteil. Nehmen Sie an Schulungen zu Sprinkleranlagen teil und arbeiten Sie schnellstmöglich eine Notfallplanung aus.“

Neuigkeiten-Archiv